Hallo zusammen,
nach neunmonatiger Pause melde ich mich mal wieder mit einer Modellpräsentation:
Porsche 356 SL Alu-Coupé Le Mans 1951 von Tecnomodel
Ich habe diese Präsentation schon vor Wochen vorbereitet, hatte in den letzten Monaten aber wenig Zeit oder keine Lust. Nun bringe ich sie aus aktuellem Anlass, denn WERK83 hat gerade eine Kopie des Tecnomodel-Modells auf den Markt geworfen. Der Preis der Kopie beträgt 1/3 dessen, was ich für meinen bezahlt habe. Pech für mich. Von Spark ist für die nahe Zukunft ein weiteres Modell dieses Vorbilds angekündigt, für den dreifachen Preis. Wer den wohl noch kauft? Aber anderes Thema, nun zur Vorstellung.
Das Vorbild, der Klassensieger bei den 24h von Le Mans 1951, und dessen bewegte Geschichte ist sehr interessant, daher folgt hier ein ausführlicher Textteil. Wer's nicht wissen will, kann ihn ja überspringen.
Zum Vorbild:
Mit dem 356 SL fuhr Porsche in Le Mans 1951 den Sieg in der Klasse bis 1.100 ccm ein. Ein historischer Sieg. Fahrzeuge von Porsche hatten schon vor 1951 an Rennen teilgenommen, laut dem Buch „Porsche Renn- und Rennsportwagen seit 1948“ von Peter Schneider erstmals beim „Rennen rund um den Hofgarten“ in Innsbruck am 11.7.1948 mit dem Mittelmotor-Prototypen „Nr. 1“ (gibt's von AUTOArt). Als erster Werkseinsatz war Le Mans 1951 aber ein Meilenstein für das Haus Porsche. In besagtem Buch ist der 356 SL (SL = super leicht) denn auch der erste Wagen, der vorgestellt wird.
Le Mans-Renndirektor Charles Faroux hatte Ferry Porsche auf dem Pariser Autosalon 1950 persönlich eingeladen, sich an dem 24-Stunden-Klassker zu beteiligen, der 1949 erstmals nach dem Krieg wieder ausgetragen worden war. Es waren unruhige Zeiten für die Fa. Porsche, man war gerade dabei, vom kriegsbedingten Standort im österreichischen Gmünd zurück nach Stuttgart-Zuffenhausen zu ziehen. Vom neu entwickelten Porsche 356 waren ca. 50 Leichtmetall-Coupés in Handarbeit hergestellt worden, die Mehrzahl davon in Gmünd. Dazu in der Schweiz vier Cabriolets. Künftige 356er würden eine Stahlkarosserie haben, deren Serienproduktion gemeinsam mit dem Karosseriebauer Reutter organisiert werden musste. Dann starb am 30.1.1951 auch noch Ferdinand Porsche.
In Stuttgart standen noch elf, erst nach dem Umzug fertiggestellte Gmünd-Coupés herum (typisiert als 356/2). Am 2. Mai, nur wenige Wochen vor Trainingsbeginn für das am 23./24. Juni stattfindenden Rennen, bekam die Fa. Reutter von Porsche den Auftrag, vier der Alu-Leichtgewichte (Türen und Chassis waren aus Stahl) gemäß Vorgaben der Porsche-Ingenieure für das Rennen zu modifizieren. Porsche besorgte den Rest. Augenfällige Änderungen waren verkleidete Radausschnitte, geschlitzte Alubleche anstelle der hinteren Seitenfenster, Zusatzscheinwerfer, von außen zugänglicher Tankstutzen, mit Alu-Blechen verkleideter Unterboden, Lederriemen als Haubenverschlüsse. Seiten- und Heckfenster waren aus Kunststoff. So etwas wie ein Überrollkäfig war nicht vorgesehen, dafür kamen die Piloten in den Genuss des serienmäßigen Zigarettenanzünders.
Die zwei für den Renneinsatz auserkorenen Coupés verunfallten schon bei Straßentests in Deutschland. Eines konnte man reparieren, für das zweite musste eilig Ersatz aufgebaut werden. Am 16. Juni brach das Team nach Le Mans auf. Einen Renntransporter gab es nicht, An- und Abreise bewältigten die Rennwagen - damals durchaus üblich - auf eigenen Rädern.
Die technischen Daten der Porsche-Renner:
Luftgekühlter 4-Zyl.-Boxer-Motor mit 1.086 ccm (im Prinzip ein Käfer-Motor), ca. 45 PS
Gewicht knapp 640 kg, Höchstgeschwindigkeit um 160 km/h
Ein Wagen bekam die Startnummer 46, gefahren von den Franzosen Auguste Veuillet (frisch gekürter Porsche-Vertreter/Importeur in Paris) und Edmond Mouche (F). Der zweite Wagen mit der Nr. 47 sollte von Rudolf Sauerwein (D) und Robert Brunet (F) gefahren werden. Die Nr. 47 wurde bei einem Trainingsunfall irreparabel beschädigt, für Fahrer Sauerwein endete das Abenteuer Le Mans mit schweren Beinverletzungen im Krankenhaus. Porsche ging folglich mit nur einem Fahrzeug ins Rennen. Das lief dafür problemlos, Nr. 46 landete nach teilweise sehr verregneten 24 Stunden auf Platz 19. Das bedeutete den Sieg in der Klasse bis 1.100 ccm. (210 Runden = 2840,65 km; 118,36 km/h Durchschnitt). Man könnte sagen: keine große Leistung, bei nur zwei Konkurrenten, von denen auch noch einer ausschied. Allerdings waren Veuillet/Mouche auch schneller als der Gewinner der Klasse bis 1.500 ccm (einer von sieben Teilnehmern im Ziel). Der Anfang einer beeindruckenden Serie an Rennsiegen für die Fa. Porsche war gemacht.
Zwei Monate später schickte Porsche den umgerüsteten Siegerwagen zur Teilnahme am Rennen Lüttich-Rom-Lüttich (Platz 10), wieder einen guten Monat später holte er sich bei Rekordfahrten in Montlhéry (F) drei internationale Rekorde. Dann hatte „Wagen 46“ seinen Dienst für Porsche getan, zusammen mit zwei anderen 356 SL lieferte man ihn in die USA an den Importeur Max Hoffman (richtig, genau der, der später die Produktion des Porsche 356 Speedster, des Mercedes 300 SL Flügeltürers und des BMW 507 anregte). Die Fahrzeuge waren zuvor umfassend repariert, neu lackiert und technisch auf Ursprungszustand gebracht worden, Hoffman verkaufte sie nun an Privatkunden. Der Erstkäufer von „NR46“ gab den Wagen zurück, der nächste Eigner nutze ihn als Rennwagen. Um den 356 SL noch leichter zu machen, ließ er 1952 von einer Karosseriefirma das Dach entfernen. Aus „NR46“ war ein Spyder geworden, seine Le Mans-Geschichte geriet in Vergessenheit. Über Umwege gelangte „NR46“ 1957 in den Besitz von Chuck Forge, der ebenfalls (historische) Rennen damit fuhr. 1981 folgte eine Generalüberholung mit Anbringung eines Überrollbügels.
1993 wurde ein gewisser Cameron Healey auf den Porsche Spyder aufmerksam. Healey hielt Kontakt zu Forge und bekundete Kauf-Interesse. Er ahnte den Hintergrund des Wagens mit der Chassis-Nummer 063, Forge behielt diesen aber bis zu seinem Tod 2009, also 52 Jahre lang. Die Erben verkauften das gute Stück dann an Healey. Der tat sich mit Rod Emory zusammen, bei dessen Firma „Emory Motorsports“ in Californien (spezialisiert auf Porsche-Restaurierungen und Umrüstungen von 356ern zu individuellen „Outlaws“) er Kunde war.
Zunächst musste der Verdacht, Healeys Spyder sei der Klassen-Sieger von Le Mans 1951, bestätigt werden. Dafür waren lange und aufwändige Recherchen nötig, auch in den Porsche-Archiven in Stuttgart. Die sind für den fraglichen Zeitraum allerdings sehr lückenhaft. Dann tauchte der o. g. Auftrag an die Fa. Reutter vom Mai 1951 auf. Daraus gingen die Chassis-Nr. der vier für Le Mans hergerichteten Fahrzeuge hervor: 054, 055, 056 und 063. Nach eingehender Prüfung der verfügbaren Schrift- und Fotodokumente (es existieren nur s/w-Fotos) kamen alle Beteiligten schließlich zu der Erkenntnis, dass Chassis 063 tatsächlich das Siegerfahrzeug von Le Mans ist. Die Startnummer 47 war Chassis 054.
Healey und Emory beschlossen, aus dem Spyder wieder das ursprüngliche Coupé zu machen, möglichst originalgetreu im Zustand vom Juni 1951. Emorys Team war jahrelang mit der Wiederherstellung beschäftigt, mit viel Handarbeit unter Verwendung von Werkzeug aus den 40er-Jahren. Dabei gab es viele offene Fragen, das größte Problem war natürlich das Dach. Mit moderner Lasertechnik wurden 3D-Daten von zwei noch existierenden 356 SL abgenommen (Nr. 054 steht heute in Mexiko, Nr. 055 seit 1986 in der Collier-Sammlung in Florida). Emory fertigte anschließend Holzschablonen an, über die man das neue/alte Aluminium-Dach dengelte. Das Endprodukt wurde dann mit dem Wagenkörper vereinigt. Auch der Innenraum war eine Herausforderung, es gab kaum Dokumente dazu. Als der Innenraum fast fertig war, bekam Emory aus Deutschland ein Album mit Innenraum-Bildern in die Hand. Das Interieur musste daraufhin nochmals überarbeitet werden. Was tut man nicht alles…
Zum Modell: Das Vorbild finde ich gut wiedergegeben, sogar die verschiedenfarbigen Blinker sind nachgebildet. Nur der Doppelauspuff scheint mir falsch, beim Original kann ich nur ein Endrohr erkennen. Es gibt auch die Nr. 47, aber die ist natürlich nicht so interessant.
Noch zwei Blicke in das Cockpit:
Die grünen Pfeile markieren die Startnummer-Beleuchtung, der rote Pfeil die m. M. n. falschen Doppelauspuffe (WERK83 hat auch das kopiert, vielleicht sind sie ja doch vorbildgetreu).
Laut Emory ist 063 heute zu 80% original, zu 20% nachgebildet. Die Öffentlichkeit konnte das noch nicht ganz fertige Objekt im September 2015 im Rahmen der Porsche-„Rennsport Reunion V“ in Laguna Seca begutachten. Der fertige Wagen war dann beim „Concours d’Elegance“ im August 2016 in Pebble Beach zu sehen.
Der Wert des rekonstruierten Sieger-Originals ist kaum abschätzbar. Als der fertige 063er in einer Folge von „Jay Leno’s Garage“ von Rod Emory vorgestellt wurde, musste sich Jay Leno mit dem Beifahrersitz begnügen, ans Lenkrad durfte er nicht. Das Objekt ist zu wertvoll für fremde Hände/Gasfüße.
Bei dem im Porsche-Museum stehenden 356 SL handelt es sich übrigens um ein 1952 entstandenes Exemplar, das optisch auf den Le Mans-Siegerwagen getrimmt ist. Das Museums-Exponat hat noch nicht mal eine geteilte Frontscheibe. Dieses Vorbild hat offenbar Truescale Miniatures gewählt.
Die Geschichte des 356 SL 063 fasziniert mich. Auf Youtube gibt es mehrere Videos zum Thema, sie waren u. a. Quellen für den Text. Das Recherchieren solcher Hintergründe sind für mich Teil des Hobbys.