TYRRELL 002
FRANCOIS CEVERT
1971 GP OF CANADA
RESULT: 6th
HERSTELLER: EXOTO
SCALE: 1:18
Die Saison
Als im März 1971 im brütend heißen Kyalami der Startschuss zur 25. Formel 1 Saison fiel, waren die Nachwirkungen des vorangegangenen Jahres noch deutlich zu spüren. Gewiss, der hohe Blutzoll, den der Rennsport in der vergangenen Saison gefordert hatte, war für diese Zeit nicht außergewöhnlich, um nicht zu sagen Teil des Spiels, doch insbesondere Jochen Rindts Todessturz in Monza, der der Formel 1 den einzigen toten Weltmeister in der F1-Geschichte beschert hatte, hatte sich tief in die Köpfe aller Beteiligten eingebrannt.
Bei Lotus hatte der Verlust ihres Stars eine tiefe Lücke gerissen, die zu Füllen nahezu unmöglich schien. Dementsprechend schlecht war die Mannschaft rund um Colin Chapman aufgestellt. Mit dem jungen, noch unerfahrenen Emerson Fittipaldi und dem Schweden Reine Wisell verzettelte sich das Team in Experimente wie den gasturbinenbefeuerten, allradbetriebenen Lotus 56 und blieb erstmals seit 1960 ohne Sieg.
Auch Ferraris Schlagkraft war geschwächt: Zwar hatten die Italiener ihren 312B, mit dem Jacky Ickx dem toten Jochen Rindt fast noch die WM Krone entrissen hätte, über den Winter kontinuierlich weiterentwickelt, doch mussten sie den Verlust ihres dritten Fahrers, dem vielversprechenden Talent Ignazio Giunti, verkraften, der zwei Monate vor Saisonstart bei den 1000km von Buenos Aires unter tragischen Umständen tödlich verunglückt war. Anstelle von Giunti verpflichtete Ferrari den US-Amerikaner Mario Andretti, der dem Team gleich beim Saisonauftakt in Kyalami einen Sieg bescherte. Dennoch konnte die stolze Scuderia in dieser Saison lediglich einen weiteren Sieg verbuchen, eingefahren von Jacky Ickx in den Dünen von Zandvoort. Der dritte Mann im Bunde, Clay Regazzoni steuerte seinerseits dritte Plätze in Südafrika, Zandvoort und Deutschland bei.
Bei McLaren musste man nach dem Tod von Firmengründer Bruce McLaren im Juni vergangenen Jahres die Saisonvorbereitung erstmals ohne den charismatischen Chef schultern. Lieferte der neue M16A in Kyalami noch eine vielversprechende Leistung ab – Denny Hulme führte bis zur sechzigsten Runde und wurde nur wegen eines Pfennigdefekts auf Rang sechs zurückgeworfen – entwickelte sich die restliche Saison zum Seuchenjahr: Lediglich zwei vierte Plätze und magere neun Punkte konnte Hulme aufs McLaren Konto hieven, der ungeliebte Bruce McLaren Ersatz Peter Gethin, der schon im Vorjahr von den McLaren Mechanikern zu hören bekam: „Wir machen gar nichts an dem Auto, du bist sowieso nicht schnell genug“, blieb gar punktelos. Als ihm Teamchef Pete Kerr eröffnete, dass man sein Auto für die letzten beiden Saisonrennen in Übersee an Penske und Mark Donohue vermieten würde, flüchtete er zu BRM, wo er in Monza 0,010 Sekunden vor Ronny Peterson als Sieger abgewunken wurde und damit für den knappsten Zieleinlauf der F1 Geschichte sorgte.
Für die WM war dieser Sieg freilich nicht mehr von Bedeutung, hatte doch zu diesem Zeitpunkt längst ein anderes Team den Titel fixiert. Es handelte sich um den englischen Holzhändler Ken Tyrrell und dessen Protegé Jacky Stewart, der im brandneuen Tyrrell 003 bei sechs von elf Läufen triumphierte und sich damit beinahe spielend seinen zweiten Titel sicherte. Sein Teamkollege, der junge Franzose Francois Cevert, hielt seinem Freund und Mentor mit zweiten Plätzen in Frankreich und Österreich und Platz drei in Monza den Rücken frei, bevor er selbst beim Finale in Watkins Glen den ersten und leider auch einzigen Sieg seiner viel zu kurzen Karriere einfuhr und damit Gesamtrang drei fixierte.
Gesprengt wurde das Tyrrell Duo von March Pilot Ronny Peterson, der mit einer soliden Leistung von vier zweiten und einem dritten Platz gleich in seiner ersten vollen Saison zum Vizemeister mutierte.
Wenngleich der Sensenmann den Formel 1 Rennen in diesem Jahr ferngeblieben war, hatte sich das Fahrerfeld am Ende der Saison um weitere zwei Piloten dezimiert. Pedro Rodriguez hatte sich im Juli beim Interseries Rennen am Norisring in einem privaten Ferrari ins Jenseits befördert und der Schweizer Jo Siffert erstickte wenige Monate später in den Flammen seines BRM in Brands Hatch bei einem Rennen, das nach Saisonende zu Ehren des neu gekrönten Weltmeisters Jacky Stewart ausgetragen wurde. Der Tod war also nach wie vor Teil des Spiels – und das sollte auch in den kommenden Jahren so bleiben.
Das Team
Nachdem der ehemalige Holzhändler Ken Tyrrell bereits in den Fünfzigern Rennen in der Formel Junior, der Formel 3 und Formel 2 bestritten hatte, wagt er sich 1968 mit eigenem Team in die Formel 1.
Mit Landsmann Jacky Stewart als Fahrer ist Tyrrell von Anfang an vorne dabei: So holt er bereits im ersten Jahr drei Siege und den Vizetitel hinter Graham Hill im Lotus, im zweiten Jahr gewinnt Stewart sechs von elf Läufen und sichert sich mit 26 Punkten Vorsprung auf Brabham Pilot Jacky Ickx seinen ersten Weltmeisterschaftstitel.
Während den ersten beiden Jahren ist Tyrrell ein reines Kundenteam: Das Chassis kommt von Matra, bei der Technik setzen die Engländer auf den neu entwickelten Ford-Cosworth Achtzylinder der neuesten Generation. Das Team startet zu dieser Zeit unter dem Namen Matra Ford Cosworth.
1970 kommt es zum Bruch zwischen Matra und Tyrrell. Denn die Franzosen beliefern nur noch Teams mit ihrem Chassis, die auch den Matra Zwölfzylinder in Verwendung haben. Da Tyrrell die Qualität des Ford Triebwerks weitaus höher einschätzt, beendet er kurzerhand die Zusammenarbeit mit Matra und sieht sich nach einem anderen Chassislieferanten um. Nachdem Verhandlungen mit McLaren und Lotus scheitern, entscheidet sich Tyrrell für den Bau eines eigenen Rennwagens. Bis zu dessen Fertigstellung behilft sich Tyrrell mit drei Kundenchassis von March.
Beim drittletzten GP in Kanada feiert der Tyrrell 001 schließlich seine Premiere. Es wird ein Einstand nach Maß, Jackie Stewart stellt den Boliden auf Anhieb auf die Poleposition. Am Renntag kann Stewart die Pole in eine Führung ummünzen und sogar einen Vorsprung herausfahren, bevor ihn in Runde 32 ein Schaden an der Hinterachse stoppt.
In den letzten beiden verbleibenden Rennen der Saison erweist sich der 001 als schnell, aber auch als sehr anfällig, Stewart scheidet immer in aussichtsreicher Position aus.
Mit dem 001 und 003 – der 002 ist Teamkollegen Francois Cevert vorbehalten - läuft Stewart 1971 zu neuen Höchstleistungen auf. Er steht sechsmal ganz oben auf dem Podest und sichert Tyrrell sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteursmeisterschaft.
Im Nachfolgemodell 006 kann Stewart diesen Erfolg 1973 wiederholen und krönt sich mit fünf Siegen zum dritten Mal zum Weltmeister.
Als sich Stewart nach seinem dritten Titel vom aktiven Rennsport verabschiedet und Nachwuchstalent Francois Cevert beim Training in Watkins Glen 1973 tödlich verunglückt, verliert Tyrrell auf einen Schlag beide Fahrer.
Mit Piloten wie Jody Scheckter, Patrick Depailler oder Ronnie Peterson sowie kühnen Konstruktionen wie dem sechsrädrigen P34 versucht Tyrrell den Anschluss an die Spitze zu halten. Doch es gelingt nicht. Der P34 hat von Beginn an mit Reifenproblemen zu kämpfen und erzielt in seiner gesamten Laufbahn lediglich einen Doppelsieg. Mit Ende der Saison 1977 erklärt man das Projekt als gescheitert, Ken Tyrrell bezeichnet den P34 gar als Irrweg.
Gezeichnet von dieser Niederlage verweigert sich Tyrrell dem nächsten Trend: Der Turbo Ära. Und das, obwohl Tyrrell bereits 1980 die Möglichkeit hat, Turbotriebwerke von Renault zu übernehmen. Erst Mitte der Achtziger ringen sich die Engländer als letztes F1 Team neben Minardi zu den Turbo Aggregaten durch. Zu diesem Zeitpunkt ist der Zug freilich schon längst abgefahren, die einstige Erfolgsmannschaft meist nur noch im hinteren Mittelfeld zu finden.
Und damit nicht genug: Seit Tyrrells Hauptsponsor – der französischen Mineralölhersteller ELF - zunehmend in die Teams von Renault und Ligier investiert, gerät Tyrrell auch finanziell immer mehr in Schieflage.
Mittlerweile ist Tyrrell dazu gezwungen, preiswerte Neulinge als Fahrer zu verpflichten; die großen Namen der Branche beziehen ihre Gehaltsschecks längst bei anderen Teams.
Als die Turbo Ära Ende 1986 zu Ende geht, kann Tyrrell endlich wieder zu seinen hochgeschätzten Ford Achtzylinder zurückkehren. Allerdings ändert sich dadurch nichts, eher das Gegenteil ist der Fall - Tyrrell siecht weiterhin im hinteren Mittelfeld dahin und hat mittlerweile sogar Schwierigkeiten, die Qualifikationshürde zu nehmen.
Auch die finanzielle Lage wird immer prekärer: 1989 berichten die Medien, dass Ken Tyrrell seinen 65. Geburtstag damit verbringt, den Team LKW nach Monaco zu steuern, weil er sich keinen LKW Fahrer mehr leisten kann.
Nachdem weder Motorendeals mit Honda und Ilmor, noch personelle Veränderungen fruchten, ist der Traditionsrennstall in den Neunzigern nur noch ein Schatten seiner selbst. Als Ken Tyrrell den Rennstall Ende 1997 an British American Racing (BAR) verkauft, erinnert außer dem Namen nichts mehr an die glorreichen Zeiten.
Der Fahrer
Er entstammte guten, französischen Haus, umgab sich gerne mit bekannten Persönlichkeiten und konnte mit seinen stechend blauen Augen jede Frau kriegen. Bei Tyrrell war er in den vergangenen Jahren zu einem derart konstanten Piloten gereift, dass er dort ab 1974 die Nachfolge seines väterlichen Freundes und Mentors Jacky Stewart übernehmen sollte. Fachleute sahen in ihm bereits den kommenden Weltmeister, den neuen französischen Stern am Formel 1 Firmament. Kein Zweifel: Es lief für Francois Cevert. Doch dann kam der 6. Oktober 1973. Es war jener fatale Samstagnachmittag, an dem sich das Glück von „Le Prince“ abwendete und Frankreichs zukünftige WM Hoffnung an den Leitplanken der Esses Kurve im amerikanischen Watkins Glen zerschellte.
Aufgewachsen in gutsituierten Verhältnissen als Sohn eines angesehenen Juweliers in einem Vorort nahe Paris, interessierte sich Cevert schon früh für alles was einen Motor hatte. Bereits im zarten Alter von 13 steuerte er den väterlichen Fuhrpark übers heimische Anwesen; und dass seine Schwester ausgerechnet mit dem französische Rennfahrer Jean Pierre Beltoise liiert war, war dieser Leidenschaft nicht gerade abträglich. Ein Motorradrennen, das Cevert 1963 zusammen mit seinem Schwager bestritt, sorgte schließlich für die Initialzündung – doch weitere Renneinsätze wurden zunächst von seinem Vater, der die motorsportlichen Ambitionen seines Filius von Anfang an missbilligte, unterbunden.
Nach Beendigung des Militärdienstes im deutschen Ravensburg, belegte der inzwischen volljährige Cevert einen Fahrerlehrgang in Le Mans und Magny Cours. Um nicht auf die väterliche Gunst angewiesen zu sein, nahm er einen Job als Vertreter an. Es sollte sich auszahlen: Beim Abschlussrennen, das am Ende des Lehrganges stand, setzte sich Cevert knapp vor Patrick Depailler durch und beförderte sich damit schnurstracks in die Formel 3. Doch seine Alpine war den alles dominierenden Matras von Henri Pescarolo und Jean Pierre Jaussaud klar unterlegen – und so blieben zwei vierte Plätze das Höchste der Gefühle.
Mit eigenem Material und dem Gewinn der Meisterschaft ein Jahr später, begann Ceverts Karriere Fahrt aufzunehmen. Der Durchbruch folgte schließlich beim Formel 2 Lauf in Reims 1969, wo er Jacky Stewart in der letzten Kurve dermaßen abkochte, dass ihn dieser gleich bei seinem Chef Ken Tyrrell als Nachfolger für Johnny Servoz Gavin ins Spiel brachte, dessen Karriere wegen gesundheitlicher Probleme im Frühjahr 1970 beendet war. Zunächst war Ken Tyrrell skeptisch, wollte sich keinen „bloody frenchman“ ins Cockpit holen, wie er es ausdrückte, und verhandelte stattdessen mit dem US-Amerikaner Brian Redman. Doch als auch Jean Pierre Beltoise und Tyrrells Hauptsponsor elf für Cevert votierten, änderte der Tyrrell-Boss seine Meinung und Cevert fand sich am 21. Juni 1970 im niederländischen Zandvoort zu seinem ersten Formel 1 GP ein.
Auch wenn Tyrrell im ersten Jahr nach der Trennung von Matra nicht wirklich konkurrenzfähig war und Cevert in seiner Debütsaison lediglich einen Punkt auf sein Haben-Konto hieven konnte, war der Fachwelt schnell bewusst, welch Rohdiamant hier am Lenkrad werkelte. Zudem erwies sich sein erfahrener Teamkollege Jacky Stewart als echter Glücksfall für den Franzosen. Die beiden waren weit mehr als nur Teamkollegen - im Laufe der Zeit entwickelte sich eine, unter „Fahrerkollegen wohl einzigartige, enge Freundschaft“, wie es Jacky Stewart später mal zum Ausdruck brachte. Die beiden verbrachten die Freizeit miteinander und flogen sogar gemeinsam zu den Rennen. So war es auch nicht verwunderlich, dass Jacky Stewart mehr und mehr zum Lehrmeister Ceverts avancierte. Er vermittelte Cevert sein gesamtes Wissen und zeigte ihm in den Trainings regelmäßig gefährliche Stellen durch leichtes Driften an.
Nach zwei Lehrjahren hatte sich Cevert 1973 schließlich selbst zum Titelanwärter gemausert. Doch noch einmal musste er sich mit der Rolle des Wasserträgers zufrieden geben, bevor er Jacky Stewart, der seine Karriere mit Ende des Jahres beenden würde, als Tyrrells Nr. 1 Fahrer beerben sollte. Für den Franzosen kein Problem: Er würde noch oft genug die Möglichkeit haben, Rennen zu gewinnen und den WM-Titel zu holen.
Doch soweit sollte es nicht mehr kommen: Als Cevert beim Samstagstraining des finalen Rennens in Watkins Glen seinen 005 aus der Boxengasse scheuchte, um die am Tag zuvor gesetzte Bestmarke von Ronnie Peterson zu unterbieten, nahm das Drama seinen Lauf: In der Esses Kurve verlor Cevert die Kontrolle über seinen Wagen, der Wagen überschlug sich mehrfach und schlitterte schließlich kopfüber die Leitplanken entlang. Dabei wurde der Tyrrell auf Cockpithöhe regelrecht aufgeschlitzt. Cevert hatte keine Chance, er starb noch an der Unfallstelle. Aus Respekt vor dem Toten verzichtete Tyrrell auf einen Rennstart am nächsten Tag. Ceverts Freund und Mentor Jacky Stewart beendete noch am selben Tag seine Karriere. Zum Unfall selber äußerte er sich nicht. Erst vier Jahrzehnte später verwies er auf die Schwierigkeit der Esses-Kurve und deutete an, dass er und Cevert sich wiederholt kontrovers darüber unterhalten hätten, ob die Kurve im vierten Gang mit niedrigen Drehzahlen oder im dritten Gang mit hohen Drehzahlen zu fahren sei.
Beim Großen Preis von Monaco 2013 trug der Toro-Rosso-Pilot Jean-Éric Vergne einen Helm, dessen Design an François Ceverts Helm erinnerte. Er verstand dies als „Tribut an einen ziemlich besonderen französischen Rennfahrer“.
Qellenangabe www:
http://www.wikipedia.com
http://www.autorennsport.ch
http://www.tyrrell.de
http://www.motorsportmagazin.com
Quellenangabe Literatur:
Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben – Helmut Zwickl, Verlag Ueberreuter, Erstauflage 1972